1 Jahr Hamburger Bündnis für schulische Inklusion – mein persönliches Fazit

Ich bin nicht der Ansicht, dass wir in den nächsten fünf Jahren umfassende Inklusion in der Schule erreichen können. Schulische Inklusion kann nicht in einer nicht-inklusiven Gesellschaft mit einem mehrgliedrigen Schulsystem gelingen.

Aber wir können weiter auf dem Weg in Richtung Inklusion gehen und wir müssen auf diesem Weg weiter gehen. Dieser Weg ist unumgänglich, denn es ist der Weg zur Umsetzung von Menschenrechten, es ist der Weg zu Wertschätzung, Achtung und größtmöglicher Teilhabe aller Mitglieder unserer Gesellschaft und zu weniger Diskriminierung.

Was die Idee der Inklusion kaputt macht, ist deren politische Reduzierung auf das Thema Ressourcen. Ressourcen zählen zu den Gelingensbedingungen von Schule, aber ohne einen Wandel in den Köpfen aller an Bildung Beteiligter können nicht einmal die derzeit zur Verfügung stehenden Ressourcen zur Unterstützung aller Schülerinnen und Schüler und zum Abbau von Lernhindernissen eingesetzt werden.

Was die Idee der Inklusion kaputt macht, ist der Versuch, Schule, PädagogInnen und SchülerInnen zu normieren, sie messbar, sie vergleich- und abrechenbar zu machen. In einer solchen Schule sucht Vielfalt ihren Platz und wird ihn nicht finden.

Es ist dem Bündnis im vergangenen Jahr gelungen, das Thema Schule und Inklusion wieder in das Zentrum der Bildungspolitik zu bringen. Das Bündnis hat einen Teilerfolg bei den Ressourcen erzielt. Auch die Beschränkung der Statusdiagnostik auf Jahrgang 4 sowie die systemische Verwendung der ab Jahrgang 5 für die Förderbereiche Lernen, Sprache und emotionale und soziale Entwicklung zugewiesenen Ressourcen stellen Erfolge der Arbeit des Bündnisses dar.

Als zentrale Aufgabe des Bündnisses betrachte ich es weiterhin, dafür einzustehen und darauf zu achten, dass das im Schulgesetz verankerte Recht auf eine Beschulung für alle Kinder und Jugendlichen an einer Regelschule, umgesetzt wird.

Ich wünsche mir, dass der Begriff Inklusion künftig mehr mit ideellen und pädagogischen und etwas weniger mit materiellen und politischen Inhalten erfüllt wird und es dem Bündnis gelingt, die mit Inklusion verbundene Perspektive für die Entfaltung aller Menschen unserer Gesellschaft in der Öffentlichkeit klarer zu gestalten und für den schulischen Bereich zu beschreiben.

Speziell für meine Tochter wünsche ich mir, dass Kinder mit Down-Syndrom, die im Rahmen der Integration in Hamburg seit 30 Jahren an Regelschulen lernen konnten, nicht als Verlierer aus der Entwicklung hervorgehen. Bereits jetzt entscheiden sich viele Eltern von Kindern mit Down-Syndrom gegen die Regelschule und für eine Beschulung ihrer Kinder an einer speziellen Sonderschule. Aber ich bin mir sicher, das sich mehr Eltern für eine Regelschule entscheiden würden, wenn die Regelschule eine Schule wäre, in der wirklich alle Schülerinnen und Schüler willkommen wären. Hierfür braucht es inklusives Denken und inklusive Strukturen sowie ein angemessen ausgestattetes pädagogisches, sächliches und räumliches Angebot.

Für das zweite Jahr im Bündnis wünsche ich, als Vertreterin eines Elternvereins, mir weiterhin eine so rege Teilnahme und kreative Mitarbeit aller Bündnispartner. Das Bündnis ist und bleibt so stark wie die Bündnismitglieder. Ich freue mich auf die weitere aktive und erfolgreiche Zusammenarbeit im „neuen“ Jahr.

B. Radke
Vertreterin von KIDS Hamburg e. V.
Mitglied der Koordinierungsgruppe des Hamburger Bündnis für schulische Inklusion
und Mutter einer 11jährigen Schülerin mit Down-Syndrom an einer Hamburger Stadtteilschule

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