Memorandum

Die Inklusion in Schule und Bildungspolitik ins Zentrum rücken (pdf)

Inklusion ist das selbstverständliche Zusammenleben aller Menschen im Sinne einer gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, unabhängig von individuellen Merkmalen wie Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, Fähigkeiten und Behinderungen.

In der Präambel der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wird unterstrichen, dass jeder Mensch ohne Unterschied Anspruch auf alle in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aufgeführten Rechte und Freiheiten hat.

Für den schulischen Bereich bedeutet dies, dass

  • alle Kinder und Jugendliche in die gleiche Schule gehen und behinderte und nicht behinderte SchülerInnen1 gemeinsam lernen können,
  • die schulischen MitarbeiterInnen gut ausgebildet und für alle SchülerInnen da sind, so dass diese die für sie notwendige Unterstützung erhalten.

Im Oktober 2009 hatte die Hamburger Bürgerschaft einstimmig beschlossen, dass alle Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf das Recht haben, allgemeine Schulen zu besuchen (Hamburgisches Schulgesetz, § 12). Damit wurde eine wichtige Voraussetzung für die schulische Inklusion in Hamburg geschaffen.

Die Entwicklung und Umsetzung schulischer Inklusion ist die mit Abstand größte bildungs­politische Aufgabe unserer Zeit. Sie erfordert ein grundlegend verändertes Verständnis von Schule und eine umfassende Unterrichts- und Schulentwicklung.

Die inklusive Schule ist im Interesse aller SchülerInnen ein lohnendes Ziel.

Sie ist die Schule der Zukunft.

Die Schul- und Lernkultur einer inklusiven Schule

ist geprägt von der Übernahme der Verantwortung für jede einzelne SchülerIn, vom Respekt vor der Einzigartigkeit und vom Vertrauen in die Fähigkeiten jeder SchülerIn. Nur so können das individuelle Recht auf Teilhabe und eine hochwertige Bildung eingelöst werden.

In inklusiven Klassen wird gezielt eine Lerngemeinschaft entwickelt, in der sich alle respektieren und gegenseitig unterstützen als Grundlage für ein erfolgreiches gemeinsames Lernen in Vielfalt.

Inklusiver Unterricht ist so gestaltet, dass jede SchülerIn ein Lernangebot vorfindet, in der sie ihre kognitiven, ästhetischen, motorischen, emotionalen, kommunikativen und sozialen Potentiale zu Entfaltung bringen kann.

Rückmeldungen zu den Leistungen und Lernfortschritten beziehen sich auf die individuellen Möglichkeiten und Entwicklungen der einzelnen SchülerIn und nicht nur auf die Bildungspläne.

Die intensive Zusammenarbeit der PädagogInnen in multiprofessionellen Teams sowie eine entfaltete Partizipation von SchülerInnen, Eltern und schulischen MitarbeiterInnen ermöglichen es, gemeinsam eine inklusive Schul- und Lernkultur zu entwickeln.

Die umfassende Realisierung einer inklusiven Schule erfordert eine inklusive Schulstruktur, die eine Aussonderung von SchülerInnen gegen ihren oder den Willen der Eltern ausschließt.

Die Inklusion stellt hohe Anforderungen an die Schulen

Die Weiterentwicklung inklusiver Pädagogik und Didaktik ist eine sehr anspruchsvolle und langwierige Aufgabe, weil sie von PädagogInnen eine Haltungsänderung und die Erweiterung ihrer pädagogischen und didaktischen Kompetenzen sowie eine gemeinsame zielgerichtete Unterrichtsentwicklung in der ganzen Schule erfordert.

Für die Schulen in Hamburg ist die Umsetzung der inklusiven Schule Herausforderung und Chance zugleich, da sie die Schulentwicklung der Einzelschulen im Sinne des erfolgreichen gemeinsamen Lernens in Vielfalt befördert.

Die Inklusion stellt hohe Anforderungen an die politisch Verantwortlichen

Von den politisch Verantwortlichen in Bürgerschaft und Senat und von der Schulbehörde müssen die notwendigen Rahmenbedingungen für eine gelingende Inklusion geschaffen werden. Dazu gehören:

  • Ausreichende Zeitkontingente für die multiprofessionelle Kooperation der LehrerInnen, SonderpädagogInnen, ErzieherInnen und SozialpädagogInnen.
  • Bildungspläne, die für das gemeinsame Lernen von SchülerInnen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf geeignet sind.
  • Die gesetzliche Möglichkeit, kompetenz- und entwicklungsorientierte Lern- und Leistungsrückmeldungen anstelle von Noten zu geben.
  • Halbjährliche individuelle Lernentwicklungsgespräche der PädagogInnen mit SchülerInnen und Eltern mit entsprechenden Arbeitszeitkontingenten.
  • Zusätzliche Differenzierungs-, Ruhe- und Therapieräume.
  • Die Ausrichtung der Lehreraus- und Fortbildung auf inklusive Pädagogik und Didaktik bei Erhaltung einer hohen sonderpädagogischen Fachkompetenz.
  • Mehr Unterstützungsangebote für die Entwicklung einer inklusiven Schul- und Lernkultur für die einzelnen Schulen.
  • Ein breites Hospitations- und Schulbesuchsangebot, um von den Inklusionserfahrungen anderer Schulen lernen zu können.
  • Regelschulen, die SchülerInnen mit den Förderschwerpunkten geistige und körperliche Entwicklung, Hören, Sehen und Autismus unterrichten, werden personell, räumlich und sächlich so ausgestattet, dass sie eine vergleichbare Förderung, Therapie und Pflege wie die speziellen Sonderschulen gewährleisten können. Ihre Schul- und Lernkultur muss ein erfolgreiches gemeinsames Lernen und die Potentialentfaltung aller SchülerInnen ermöglichen. Nur so wird für die SchülerInnen mit Behinderung und ihre Eltern das formale Recht auf Inklusion zu einem wirklichen Recht.
  • Eine ausreichende systemische Personalzuweisung für die SchülerInnen mit den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und emotionale und soziale Entwicklung, die sich an der tatsächlichen Zahl der in Hamburg vorhandenen SchülerInnen mit den Förderschwerpunkten LSE orientiert. Für diese SchülerInnen werden Förderdiagnostik und Förderpläne aber keine Feststellungsgutachten erstellt.

Die inklusive Schule ist ein lohnenswertes Ziel.

Ihr Gelingen erfordert die Anstrengung aller PädagogInnen, MitarbeiterInnen und Eltern vor Ort.

Von den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung erwarten wir, dass alles getan wird, um die erforderlichen Rahmenbedingungen herzustellen. Dazu gehört eine deutliche Erhöhung der personellen, räumlichen und sächlichen Ausstattung der schulischen Inklusion in Hamburg.

Dieses Memorandum wird von folgenden Organisationen getragen:

ASBH – Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus Hamburg e. V., Autismus Hamburg e. V., DGB – Deutscher Gewerkschaftsbund Hamburg, ElbschulEltern, Elternkammer Hamburg, Eltern-Netzwerk „Vernetzung Inklusion“, Evangelische Stiftung Alsterdorf, Gehörlosenverband Hamburg e. V., GEW – Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEST – Gemeinschaft der Elternräte an Stadtteilschulen in Hamburg, GGG – Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens, Grundschulverband e.V. Landesgruppe Hamburg, KIDS Hamburg e. V. Kontakt- und Informationszentrum Down-Syndrom, Landesarbeitsgemeinschaft Eltern für Inklusion e. V., Lehrerkammer Hamburg, Schülerkammer Hamburg, SOAL e.V., Vereinigung der Schulleiter/innen der Stadtteilschulen in Hamburg, VIHS – Verband Inklusion an Hamburger Schulen e. V., ver.di Hamburg –Fachbereiche Bund, Länder und Gemeinden, VHS – Verband Hamburger Schulleitungen.

1 Die männliche Form ist immer mit gemeint.

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